Interview KW-Kurier vom 13.04.2022

Herr Scheetz, Sie wurden vor zweieinhalb Jahren erstmals in den Brandenburger Landtag gewählt. Wie fällt Ihr ganz persönliches Resümee aus?

Ich hätte mir natürlich vorgestellt, dass wir in politisch ruhigeren Zeiten agieren können um viele in Brandenburg liegen gebliebene Projekte anzugehen. Leider haben Corona und der Krieg in der Ukraine den politischen Diskurs verschoben. Von Beginn an sind wir mit Krisenbewältigung beschäftigt und haben fast schon nebenbei das Alltagsgeschäft bewältigt. Alles in Allem war die Zeit sehr herausfordernd, aber ich bin jedem Tag dankbar dafür diese Aufgabe wahrnehmen zu dürfen.

Apropos Corona-Management. Wie beurteilen Sie die ergriffenen Corona-Maßnahmen rückblickend?

Ich gehöre nicht zu denjenigen, die sagen, dass Politik alles richtig gemacht hätte. Konnte sie auch nicht, weil niemand vor gut zwei Jahren wusste was auf uns zukommt. Ich werbe stets für einen differenzierten Umgang und das Ergreifen von sinnvollen Eindämmungsmaßnahmen, sofern notwendig. Von Symbolpolitik halte ich nichts, weil es zum einen die erhofften Effekte nicht bringt und zum anderen Glaubwürdigkeit verspielt wird. Ich erinnere mich da beispielsweise an die Maskenpflicht in der Innenstadt – rückblickend betrachtet eine überflüssige Maßnahme.

Was meinen Sie mit „differenziertem Umgang“?

Beispielsweise in Bezug Eindämmungsmaßnahmen unter freiem Himmel oder in kulturellen Einrichtungen. Die Forschung ist ein Stück weiter und belegt, dass die Ansteckungsgefahr unter freiem Himmel sehr gering ist. Ich habe es deshalb nicht verstanden, warum Weihnachtsmärkte abgesagt wurden. Mit G-Regelungen oder einem Alkoholverbot hätte man alternative Maßnahmen gehabt. In Kinos, Theatern und Museen haben sich die Betreiber sehr gute Hygieneschutzkonzepte erarbeitet und waren auch sehr „hinterher“, dass diese eingehalten werden. Wenn wir bei künftigen Wellen die Konzepte rausholen, dann sollten Lock-downs endgültig der Vergangenheit angehören.

Derzeit dominiert aber ein anderes Thema Politik und Medien: Der Ukraine-Krieg…

Ich verurteile Putins Überfall auf die Ukraine aufs Schärfste. Der Krieg in der Ukraine ist ein klarer Bruch des Völkerrechts, der so schnell wie möglich beendet werden muss. Egal wie man zur Entwicklung der Beziehungen zwischen Europa, Russland und der Ukraine steht, der Einmarsch in einen souveränen Staat ist mit nichts zu rechtfertigen. Putin hat sich selbst und Russland damit von der Weltgemeinschaft isoliert.

Den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine gibt es ja nicht erst seit dem Überfall am 24. Februar, sondern schon seit vielen Jahren. Hätte Deutschland und Europa nicht viel früher reagieren müssen?

Sie haben völlig recht: Deutschland und die EU hätten eher eine vermittelnde Rolle einnehmen müssen, um die Interessen aller Seiten im Sinne einer Friedenssicherung für Europa auszugleichen. Das rechtfertigt das jetzige gewaltsame Vorgehen Putins aber keinesfalls. Und ich bin einfach nur entsetzt, welche Brutalität an den Tag gelegt wird. Es werden schonungslos zivile Ziele angegriffen und zugesagte Fluchtkorridore nicht eingehalten. Zur Ehrlichkeit gehört aber auch, dass seit 8 Jahren Krieg in der Ukraine herrscht und wir dem Geschehen lange nicht die Aufmerksamkeit geschenkt haben, wie es von Nöten gewesen wäre.

In wie weit wird der Ukraine-Krieg Auswirkungen auf Brandenburg haben?

Zunächst möchte ich festhalten, dass Brandenburg in diesen Tagen ein sehr freundliches Gesicht zeigt. Die Mehrheit der Menschen ist mitfühlend, weltoffen und solidarisch. Viele engagieren sich in Initiativen, die Kriegsflüchtlinge bei ihrer Ankunft unterstützen. Die Aufnahme von Geflüchteten ist für das Land und die Kommunen jetzt prioritäre Aufgabe.

Aber natürlich wirkt sich der Krieg auch auf andere Art und Weise aus. Wir erleben es am ehesten an der Tankstelle oder bei den Energiepreisen. Ich finde es richtig, die Abhängigkeit von Russland bei der Energieversorgung zu reduzieren, dass braucht aber einen großen Kraftakt, der nicht von heute auf morgen zu lösen ist. Wenn wir den sozialen Frieden im Land nicht gefährden wollen müssen wir Kompromisse eingehen, die aus moralischer oder klimaschutztechnischer Sicht zunächst schmerzhaft sind. Von einem Embargo halte ich nichts – es kann sich wohl niemand bis zur letzten Konsequenz ausmalen, was das insbesondere für Ostdeutschland bedeuten würde.

Zurück zum eigentlichen Thema unseres Interviews: Wie bewerten Sie die bisherige Arbeit der Rot-Schwarz-Grünen Koalition im Land?

Die Bilanz der Rot-Schwarz-Grünen Koalition in Potsdam ist trotz des dauerhaften Krisenmanagements sehenswert. Ich höre ja oft den Vorwurf, die Parteien würden ihre Wahlversprechen nicht einhalten. Für die SPD in Brandenburg gilt das Gegenteil. Wir haben Versprochen den Vergabemindestlohn für öffentliche Aufträge auf 13 Euro zu erhöhen, das haben wir umgesetzt. Wir haben versprochen, dass die letzten drei Kita-Jahre beitragsfrei werden, das ist fest vereinbart und wird bis 2024 umgesetzt. Wir haben versprochen, dass alle Krankenhäuser in Brandenburg erhalten bleiben, es wurde und wird kein Krankenhaus geschlossen. Weiterhin wurde in Bereichen, in denen der Staat Verantwortung trägt durchgängig Personal aufgestockt, bis 2024 wird es 8500 Polizistinnen und Polizisten geben, 77 neue Stellen für Richterinnen und Richter und Staatsanwälte wurden geschaffen und mehr als 3000 Lehrkräfte unbefristet eingestellt.

Und wie steht es um Ihre persönliche Bilanz?

Ich denke einiges konnte ich auf den Weg bringen bzw. begleiten. Ich denke da an den zweigleisigen Ausbau des Bahnhofs Königs Wusterhausen, der zwischen Berlin und der Lausitz ein wichtiger Knotenpunkt ist. Bis 2025 werden Gütergleise verlängert, der Bahntunnel saniert, der Nordkopf verlängert. Langfristig bleibt es aber das Ziel Regional- und S-Bahn zu entflechten, um eine echte Zweigleisigkeit zu schaffen. Für den Hafen konnte ich daran mitwirken, dass es Fördermittel für verbesserte Verladekapazitäten im Güterverkehr geben wird. Ich bin stolz auf das Landes-Förderprogramm „Zusammenhalt“. Damit werden Vorhaben in Gemeinden und Ortsteilen, die weniger als 10.000 Einwohner haben mit bis zu 150.000 € für Projekte aus den Bereichen Kultur, Bildung, Gesundheit oder soziales Leben sowie Digitalisierung und Energie gefördert.

Die Legislaturperiode geht bis 2024. Welche Ziele haben Sie bis dahin?

Was mir große Sorgen macht ist der Versorgungsgrad mit Haus- und Fachärzten in meinem Wahlkreis. Hier in Königs Wusterhausen ist es am MVZ bisher nicht gelungen, langfristig eine Kinderarztstelle zu besetzen. Nur wenige Absolventen wagen den Schritt in der Selbstständigkeit, trotz diverser Stipendien- und Unterstützungsprogramme. Hier müssen wir uns neue Wege überlegen. Für KW könnte ich mir auch ein städtisches Gesundheitszentrum vorstellen. Auch der Mangel an Arbeitskräften wird zunehmen. Viele Stellen sind schon heute nur schwer zu besetzen, deshalb setze ich mich auch für den Bau eines Berufsbildungszentrums der Handwerkskammer in KW ein und hoffe, dass das Land hier noch unterstützen kann. Sie sehen es bleibt genug zu tun.

Es fragte Vesa Elbe

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